Oktober 2024: Auf dem Dach von Afrika

Schon seit einigen Jahren hatte sich der Gedanke in meinem Kopf festgesetzt, den mit 5895 Metern höchsten Berg Afrikas, den Kilimandscharo, zu besteigen. Ich hoffte natürlich, einen Berg bedeckt mit Schnee auf dem Gipfel mitten in Afrika zu erleben.

Bei der Planung stellt man schnell fest, dass eine Begehung im kleinen Alpinstil, also ohne Bergführer und Träger, nicht mehr möglich ist. Es blieb nur der Weg, die Besteigung mit Hilfe einer Reiseagentur zu organisieren. Auf Empfehlung aus dem Freundeskreis haben wir eine solche in Moshi, der Stadt am Fuße des Kili, gefunden. Das hat uns die Entscheidung bei über 500 Anbietern vor Ort deutlich erleichtert. Als Eingehberg hatten wir, meine beiden Kletterkumpels und ich, den Mt. Meru gewählt. Durch anfänglich grüne Wiesen mit Giraffen und Kaffernbüffeln, später Regenwald und schließlich karger Fels haben wir den 4566 Meter hohen Gipfel am dritten Tag erreicht. Nach zügigem Abstieg an selbigem Tag mussten wir feststellen, dass aufgrund der Höhe in Kombination mit dem relativ steilen Gelände am Gipfeltag der Eingehberg wohl etwas zu straff gewählt war. Ein Ruhetag in Moshi sollte helfen, meinen Muskelkater zu vertreiben.

Für den Kilimandscharo hatten wir bewusst die Rongai Route gewählt: Nord-, also Sonnenseite (wir befinden uns ja auf der Südhalbkugel), kein Regen, kontinuierlicher Anstieg, Unterbringung in Zelten und fast allein auf dieser Route. Das Team bestand aus 11 Trägern, einem Koch und zwei Bergführern. Mit dem Gedanken muss man erst einmal zurechtkommen, denn wir sind sonst gewöhnt, hohe Berge selbständig ohne externe Hilfe zu besteigen. Menschlich war es dafür eine Bereicherung. Jeden Morgen hat die gesamte Crew unter „Chorleiter“ Hans einheimische Lieder angestimmt und uns damit in den Tag geschickt. Ach ja, da war ja noch die Überraschung, dass einer unser Bergführer mit Vornamen Hans hieß, nach dem deutschen Erstbesteiger Hans Meyer, der am 6. Oktober 1889 als erster Mensch den Gipfel des Kili erreichte. Unser Hans war bereits 121-mal ganz oben gewesen, die geballte Erfahrung also und das Gefühl versprühend, an seiner Arbeit Freude zu haben. Dabei lehrte uns der Guide, am Berg bewusst langsam zu gehen, um gut akklimatisiert den Gipfel zu erreichen. Das schwingende „Pole Pole“, langsam, langsam, wird uns in den nächsten Tagen mahnend begleiten.  In vier Tagen sind wir von 1700 m bis ins höchste Lager auf 4700 m gestiegen. Dort war am Gipfeltag um Mitternacht Start, um nach reichlich 6 Stunden im Sonnenaufgang auf dem Gipfel zu stehen. Die Luft war dünn, die letzten Höhenmeter nicht leicht, also immer schön „Pole Pole“.  Der herrliche Sonnenaufgang und der Blick auf den Mt. Meru entschädigten jedoch reichlich für die Strapazen. Wir konnten in einiger Entfernung noch Gletscher sehen, oder besser, was davon noch übrig ist. Sie werden wohl in den nächsten Jahren gänzlich verschwinden! Das Dach Afrikas wird dann nur noch nach Schneefällen weiß sein und einen Teil seiner Magie verlieren.

Nach dem Abstieg und einem erneuten Ruhetag haben wir uns nach Kenia begeben, um unsere Gipfel Trilogie mit der Besteigung des Mt. Kenia, dem zweithöchsten Gipfel Afrikas, abzuschließen. Nach langer, ganztägiger Autofahrt, unter anderem durch die Millionenstadt Nairobi, sind wir dieses letzte Abenteuer angegangen. Gleiches Vorgehen wie am Kili, mit Trägern und Bergführer geht es in das Hochlager auf 4200 m. Der Berg selbst zeigt sich ganz anders. Nach der ausgeprägten Trockenheit an Mt. Meru und Kilimandscharo laufen wir hier am zweiten Tag 18 km in fließendem Wasser ergänzt durch mehrere Stunden Dauerregen in der zweiten Tageshälfte. Die Regensachen hatten wir also doch nicht umsonst mitgenommen. Der nächtliche Aufstieg zum Lanarna Gipfel des Mt. Kenia war dann trocken, jedoch im Schnee, ein toller Kontrast zum staubigen Kili. Durch den vielen Regen, der weiter oben als Schnee nieder ging, war die Besteigung des Hauptgipfels über eine Kletterroute nicht möglich. Die einsetzende Regenzeit war uns zuvorgekommen. Nur die erste Seillänge in relativ steilem Felsen konnten wir für uns verbuchen, danach standen wir in fließendem Wasser.

Nachdem wir über 150 km inklusive 10 000 Höhenmetern zu Fuß an den drei Bergen zurückgelegt hatten, folgten drei Tage entspannter Safari mit herrlichen Tierbeobachtungen in den Nationalparks Lake Manyara, Ngorongoro Crater und Tarangire. Dabei hatten wir das Glück, das Baden einer Elefantenherde und die erfolgreiche Jagd einer Karakal Wildkatze live zu erleben. Fressende Giraffen, herumziehende Gnus, Zebras, Strauße, Antilopen und Büffel, faul im Wasser liegende Hippos und vor sich hindösende Löwen gab es zu bestaunen.

In den drei Wochen in Tansania und Kenia haben wir viele freundliche und hilfsbereite Menschen kennen gelernt. Nach anstrengenden und erfolgreichen Tagen in den Bergen mit anschließender erlebnisreicher Safari konnten wir mit erfüllten Herzen die Heimreise antreten. Und eines haben wir ganz gewiss gelernt, mit „Pole Pole“, also viel Gelassenheit, sind auch große Ziele erreichbar!

Michael Richter

Oktober 2024